Die 15 000-Einwohnerstadt Rosarno in Kalabrien liegt umgeben von einem un- durchdringlichen Labyrinth aus unbefes- tigten Feldwegen zwischen eingezäunten Orangenhainen. Obwohl die Bäume selten mehr als drei Meter hoch sind, sind sie so dicht gepflanzt, dass sie ein undurchschau- bares Dickicht bilden. Unter den Bäumen wächst hohes Gras. Überall Spuren der Erntearbeiter: zerrissene Regenkleidung, Wasserflaschen, Zigarettenstummel, eine improvisierte Feuerstelle, an der sie sich im feuchtkalten Winterwetter aufwärmen. Kilometerlang ziehen sich diese Planta- gen bis zum Meer. Auf den Einfallstra- ßen nach Rosarno sind die Erntearbeiter nicht mehr zu übersehen. Allein oder in kleinen Gruppen stehen sie – die meisten von ihnen Afrikaner aus den Ländern süd- lich der Sahara – an der Straße und hoffen darauf, dass ein Lieferwagen anhält und der Fahrer sie anheuert. Oft ist das War- ten vergebens. Nur wer oft genug Arbeit findet, kann sich Gummistiefel oder ein ausrangiertes Fahrrad leisten. (…)
Bittere Orangen: Die Obstplantagen Kalabriens und das europäische Grenzregime @ FORUM – June 2013